[OSM-S] surface & tracktype: orthogonal oder abhaengig?

Carsten Weithöner cw at weithoener.de
Fr Mai 22 23:10:16 CEST 2015


Hallo Markus, 

habe während des Schreibens gesehen, dass Heiko Dir schon geantwortet hat. Sende Dir trotzdem meine Antwort als Ergänzung hinterher. Du kannst solch allgemeine Fragen auch an die talk.de-Mailingliste richten; dort sind mehr Leute unterwegs und Du bekommst bestimmt schneller Antwort. 

Vorab: Aus meiner Sicht hat der Tracktype sehr zur Verbreitung von OSM beigetragen, weil er ein vernünftiges Fahrrad-Routing ermöglicht, das sogar den Fahrradtyp berücksichtigen kann. Das ist wirklich ein Alleinstellungsmerkmal. 

Grundsätzlich kannst Du da nicht viel falsch machen. Der Tracktype ist ein wenig Ermessenssache, weil er ein Bündel an Eigenschaften anzeigt - trotzdem funktioniert der Tag erstaunlich gut und es hat sich ein allgemeiner Konsens gebildet, wie die Wirtschaftswege zu klassifizieren sind. Eine Stufe höher oder niedriger ist in der Regel nicht dramatisch. 

Am 16.05.2015 um 14:18 schrieb markus schnalke <meillo at marmaro.de>:
> 
> Wege mappe ich ueblicherweise mit drei Tags: highway=track, surface=*
> und tracktype=*. Meine Frage ist nun, ob surface und tracktype
> orthogonal zu einander sind oder voneinander abhaengen.
> 
> Im orthogonalen Fall ist tracktype eine globale Skala auf der
> asphaltierte Strassen im normalerweise grade1 und grade2 belegen,
> Dreckwege aber kaum ueber grade4 hinaus kommen duerften. Diese
> Auslegung scheint das Wiki anzudeuten:
> 	http://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:Key:tracktype
> Die Beschreibung auf dieser Wikiseite legt allerdings nahe, dass
> die Oberflaeche den tracktype fast schon bestimmt. Was ist also
> mit surface=compacted + tracktype=grade1? Auch surface=compacted
> + tracktype=grade4 wuerde ich bei entsprechend verwitterten Wegen
> mappen wollen ... oder sollte ich das ueber smoothness abdecken?

Das Wiki [1] beschreibt eigentlich sehr gut, wie man die Feld- und Waldwege mittels Tracktype klassifiziert. 

Der Tracktype ist eine Klassifizierung, die sich aus »Untergrund« _und_ »Oberfläche« _und_ deren »Zustand« ergibt. 

Wenn man unsicher ist, ob es einen Unterbau/Tragschicht gibt, findet man Indizien, wie tiefere Spurrillen oder den Zustand nach einem Regen. 

Der von Dir angeführte Wert »compacted« für »surface« [2], genauso wie die Werte »paved« und unpaved, sind aus meiner Sicht für Wirtschaftswege zu ungenau; bei Flächen oder Straßen, wo es _keine_ Entsprechung zum »Tracktype« gibt, sieht das etwas anders aus. Die Angaben beschreiben im Grunde die Versiegelung der Fläche/des Weges und implizieren in _unserer_ Region einen entsprechenden Unterbau; in Regionen mit weniger entwickelter Verkehrsinfrastruktur sieht das sicherlich anders aus. Asphaltierte Wege und Flächen werden hier kaum ohne aufwendigen Unterbau angelegt; das gleiche gilt für gesplittete Waldwege. 

Bei Wirtschaftswegen wäre es tatsächlich so: 

surface=paved = tracktype=grade1
surface=compacted = tracktype=grade2
surface=unpaved = tracktype=grade3-5

Wenn ich auf eine dieser Oberflächenangaben treffe, ersetze ich sie, wenn ich es genauer weiß, durch eine Materialangabe. 

Evtl. wäre es sinnvoll einen Tag für die Tragschicht/den Unterbau einzuführen, damit sonstige Straßen, Wege und Flächen genauer erfasst werden können. Ausreichend wäre dann als Wertangabe eigentlich erst einmal ein yes oder no. 


> Im abhaengigen Fall (den ich immer wenige wahrscheinlich finde)
> haette jede Oberflaeche die volle Qualitaetsskala. Surface=asphalt
> + tracktype=grade4 koennte dann besser sein als surface=dirt +
> tracktype=grade2.


Hier ein paar Beispiele auf die Du vielleicht stoßen kannst: 

Asphaltierte, betonierte und geflasterte Wege, auch in schlechtem Zustand, sind so gut wie immer »grade1«. Ist der Belag allerdings völlig bröselig, in Auflösung begriffen und mit Splitt geflickt würde ich »grade2« eintragen. 
Treffe ich auf einen geschotterten Weg, der keine Tragschicht besitzt, aber an manchen Stellen (z. B. kurze Steigungen) geteert ist damit die Steine nicht wegrollen, wähle ich »grade3« und trage nur den Schotter als Oberflächenmaterial ein. So etwas findet man z. B. bei Zufahrten zu Schrebergärten. 
Manche gesplitteten Radwege mit wassergebundener Decke (grade2) werden, statt mit Splitt, mit groben Schotter ausgebessert, weil der Bauhof den gerade auf dem LKW hatte oder der Mitarbeiter die Radfahrer ärgern will (Hatte ich hier im Ort: »Radfahrer haben zuviel Freizeit und zahlen keine Steuern!«). Der Weg bleibt trotzdem »grade2«, aber mit wechselndem Surface: fine_gravel und gravel. 
Treffe ich auf gemischte Oberflächenmaterialien, wähle ich das dominierende bzw. schlechtere Material und vermeide Doppelwertangaben, wie beispielsweise »surface=grass;ground«, sondern gebe nur »ground« an. 
In Ostdeutschland, wo man häufiger auf Betonwege trifft, habe ich auch Konstruktionen gesehen, wo meiner Meinung keine Tragschicht gebaut wurde und nur lange, dicke Betonplatten auf den Boden gelegt und miteinander verbunden wurden - das wäre dann für mich »grade1«. Quasi Tragschicht und Oberfläche in einem. 
Dann habe ich schon Wege mit Kunststoffgittern gesehen, die wurden offensichtlich einfach in den Boden gedrückt; das hat mit dem Fahrrad sehr gut funktioniert; wäre für sehr schwere Fahrzeuge aber sicherlich ungeeignet. Das wäre aus meiner Sicht am ehesten Grade3 (keine Tragschicht, aber ein griffiges Oberflächenmaterial). 

Die Kombinationen »surface=asphalt + tracktype=grade4« und »surface=dirt + tracktype=grade2« wird man bei uns kaum antreffen. Statt »dirt« verwende ich übrigens lieber »ground« - »dirt« ist meiner Meinung wertend. 

Grundsätzlich frage ich mich bei der Beurteilung nach dem Zweck des Weges und für welche Fahrzeuge der Weg geeignet, bzw. nicht geeignet sein könnte. Wirtschaftswege werden ja für zweispurige (Kraft)Fahrzeuge angelegt und von Radfahrern, Wanderern etc. mitbenutzt. 

Für mich liegen grade1 und grade2, als aufwendig gebaute Wege mit Tragschicht, nah bei einander. Genauso wie grade4 und grade5, die meistens zu abgelegenen Feldern und Wiesen führen oder im Wald als Rückewege dienen. Grade3 liegt dazwischen; meistens handelt es sich um grob geschotterte Verbindungswege ohne Unterbau - manchmal mit einer Grasnarbe in der Mitte. 

Und abschließend: Besser ist relativ. Ich fahre z. B. mit dem Rad lieber über einen ebenen Grasweg (grade5) als über einen holprigen Schotterweg (grade3), viele Jogger ziehen einen unbefestigten Waldweg einem asphaltierten Weg vor usw.. 

Apropos Wertung: Ich bin momentan kein Freund des Tags »Smothness« - mir ist das zu subjektiv (excellent - very_horrible). Wenn es einen objektiv messbaren Wert wie die Rautiefe bei Materialoberflächen gäbe, sähe ich das anders. 

Mit den Angaben Tracktype und Surface können z. B. Router einen Weg schon ziemlich gut einschätzen.  

Ist jetzt doch ein bisschen lang geworden. :-)

Viele Grüße

Carsten


[1] http://wiki.openstreetmap.org/wiki/Key:tracktype
[2] http://wiki.openstreetmap.org/wiki/DE:Key:surface