[OSM-Berlin] Fahrradtagging an Wegen

Alex supaplex at riseup.net
Do Jan 28 23:42:42 CET 2021


Hallo,

mir begegnen regelmäßig Diskussionen und Inkonsistenzen zur
Fahrradfreigabe (bicycle=*) auf (Fuß-)Wegen, daher wollte ich mal in die
Runde horchen, wie ihr das handhabt/wie ihr eure Mappingentscheidung
begründet und mein eigenes Vorgehen schildern. Dieses Problem betrifft
alle Wege, die keine besondere Ausschilderung tragen und keine
straßenbegleitenden Gehwege sind (auf denen das Radfahren für Erwachsene
nach StVO nicht gestattet und vom Konfliktpotential meist ohnehin nicht
geboten ist). Meist sind das also Verbindungswege, Wege entlang von
begrünten Flächen, am Rande von Kanälen oder etwas abgesetzt von Straßen
(ohne im baurechtlichen Sinne ein Gehweg zu sein). Da es hier ein paar
Berliner Spezifika gibt, schreibe ich es mal über diese Liste.

Soweit ich weiß, ist die juristische Situation nicht immer eindeutig –
diese ist für die meisten Mapper vermutlich das entscheidende Kriterium.
Unabhängig davon gibt es neben der "juristischen" aber auch eine
"faktische" und eine "vernünftige" Ebene, deren Betrachung für die
Diskussion hilfreich sein können.

Auf der /juristischen Ebene/ sind mir diese Vorschriften bekannt, die
man für einige dieser Wege in Betracht ziehen muss: 1) Auf Wegen in
geschützten Grünanlagen (markiert mit dem Dreieck-Schild mit der Tulpe)
besteht in Berlin formell ein Radfahrverbot, auch wenn es nicht
ausgeschildert ist – es sei denn, Radfahren ist per Beschilderung
freigegeben. 2) Soweit ich weiß, darf man auch über "Plätze" nicht mit
dem Rad fahren (weiß aber gerade nicht, wie genau das geregelt ist).

Das klingt soweit erstmal klar; wird im Einzelfall aber schon
kritischer. So gibt es beispielsweise Wege durch geschützte Grünanlagen,
die Teil des Berliner Radnebenroutennetzes sind, aber nicht explizit für
den Radverkehr freigegeben sind (oder manchmal sogar für den Radverkehr
verboten). Das Problem ist hier oft, dass die Beschilderungen viele
Jahrzehnte alt sind, manchmal gar nicht mehr zu lesen, da zugeklebt oder
beschädigt, und weder in der Bevölkerung noch in der Verwaltung beachtet
werden. So weiß ich aus dem Neuköllner Grünflächenamt und dem
Ordnungsamt, dass das Radfahren hier ausdrücklich toleriert wird – eine
Erneuerung der Beschilderung wird aber nicht vorgenommen (weil [hier
Ausrede einfügen ;)]). Ich habe irgendwo mal "bicycle=tolerated" dafür
genutzt.

Dann gibt es die /"faktische" Ebene/, die bedeutet, dass auf vielen 
Wegen "wild" Fahrrad gefahren wird – diese finde ich aber erstmal nicht
weiter relevant für die Mappingpraxis.

Schließlich die /"vernünftige" Ebene/, nagut, da hat vermutlich jeder
ein anderes Verständnis von Vernunft. Als Humangeograph bin ich aber
fest davon überzeugt, dass man dieses Problem nicht allein
juristisch/bürokratisch, sondern auch aus der Perspektive der "Norm des
Raumes" betrachten sollte (siehe auch die Verwaltungsduldung oben). So
gibt es viele Wege, die sich auf Grund ihrer Breite, ihrem
Fußgängeraufkommen, ihrer Beschaffenheit und Zugänglichkeit nicht nur
gut zum Fahrradfahren eigenen, sondern auf denen dabei auch keine
größeren Konflikte mit anderen Verkehrsteilnehmern (insbesondere
Fußgängern) zu erwarten sind und die Wahrscheinlichkeit, von einer
Behörde angehalten zu werden, gegen Null tendiert. In Fällen, in denen
eine uralte Grünflächen-Beschilderung besteht, entscheide ich mich z.B.
eher für diesen Weg der Fahrrad-Einordnung.

In einer Diskussion mit einem anderen Mapper ist mir schließlich noch
ein relevantes bauliches Kriterium aufgefallen: Sind die Wege direkt vom
Straßennetz (z.B. über einen abgesenkten Bordstein) zu erreichen, kann
das im Vergleich zu Wegen, die nur "indirekt" über den Gehweg aus
erreichbar sind, auch ein Argument sein.

Alles in allem sehe ích also diese Kriterien, unter denen man abwägen muss:
- juristische Situation / Beschilderung (wenn offensichtlich nicht mehr
zeitgemäß, allein aber nicht ausreichend)
- Verkehrssituation (auf Wegen mit hohem
Fußgängeraufkommen/Flanier-Charakter sind Konflikte zu erwarten/ist
Radfahren nicht geboten)
- bauliche Situation (Bedingung: ausreichende Breite je nach
Fußgängeraufkommen, direkte Erreichbarkeit aus dem Straßennetz)

Was meint ihr? Wie geht ihr in solchen Situationen vor und wie begründet
ihr euer Tagging?

liebe Grüße
Alex

P.S.: Eine andere Frage wäre die nach der Differenzierung des Taggings –
z.B. ob "bicycle=tolerated" sinnvoll sein kann oder wie man "Fahrrad
frei, Fußgänger haben Vorrang" abbilden könnte – scheint mir aber
erstmal nachrangig.

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