[OSMF-LC] Begruessung und Stand der Dinge
Frederik Ramm
frederik at remote.org
Di Mär 27 01:02:51 CEST 2012
Hallo,
ein paar Leute haben sich ja schon angemeldet, und offenbar warten
alle drauf, dass jemand mal was sagt.
Einige von euch waren sicher auf der FOSSGIS-Konferenz bei unserem
Treffen. Die, die nicht da waren, haben nicht wirklich viel verpassst -
ausser dem Beschluss, dass wir erstmal eine Arbeitsgruppe (diese Liste
hier) aufmachen wollen, passierte nicht viel.
Ich umreisse nochmal kurz, worum es geht, bitte aber jeden, mich zu
korrigieren, wenn ich irgendwas falsch darstellen sollte.
Also:
Es gibt die OSMF in England, die betreibt die OSM-Server und haelt das
Markenrecht am Namen "openstreetmap" und am Logo, und der gehoert auch
die Domain openstreetmap.org. Die OSMF is im Grunde international
taetig, aber eben doch hauptsaechlich im angloamerikanischen Raum
unterwegs. Zwar hat der OSMF-Vorstand auch ein Mitglied aus Deutschland
(Oliver Kuehn) und eins aus Holland (Henk Hoff), aber die anderen 5 sind
aus US-UK-Irland, und die Arbeitssprache ist Englisch. Die OSMF ist
letzlich auch der Laden, der ueber die Lizenz entscheidet (siehe
aktueller Lizenzwechsel). Das Jahresbudget der OSMF ist grob 70.000
britische Pfund, und sie hat rund 350 Mitglieder.
Dann gibt es den FOSSGIS e.V. in Deutschland, der auf eine laengere
Geschichte zurueckblicken kann als die OSMF, der aber etwas kleiner ist
(130 Mitglieder). Das Jahresbudget des FOSSGIS e.V. ist grob 60.000
Euro. Der FOSSGIS-Vorstand besteht nur aus 3 Leuten. Der FOSSGIS e.V.
ist in der Praxis unser "Local Chapter", betreibt derzeit 4 Server fuer
uns (alle aus Spenden) und wird von uns herangezogen, wenn wir z.B. mal
einen Vertrag unterschreiben muessen, um an Daten zu kommen oder so etwas.
Der FOSSGIS hat im Gegensatz zur OSMF auch institutionelle Mitglieder -
eine handvoll kleinerer Firmen, die ihr Geschaeft mit Open Source machen
und daher den FOSSGIS unterstuetzen. Zugleich hat der FOSSGIS (und das
sage ich als einer, der in beiden Vereinen Mitglied ist) eine
ausgepraegtere diplomatische Kultur; beim FOSSGIS wird tatsaechlich im
Kreis der Mitglieder ueber die Zukunft des Vereins diskutiert und der
Vorstand hat keine Geheimnisse vor den Mitgliedern, waehrend die OSMF
manchmal etwas dazu neigt, sich etwas wichtiger zu nehmen und den
Mitgliedern lieber nicht zu verraten, mit wem man gerade irgendwelche
Deals ausheckt.
So, das ist ungefaehr der Stand.
Die OSMF hat sich schon lang auf die Fahnen geschrieben, dass sie gern
"Local Chapters" haben will, in ihrem Fall sind damit eigentlich
nationale Organisationen gemeint. Gruende dafuer sind vielfaeltig;
einmal erhofft man sich einen besseren Draht zur Community und eine
groessere "Marktmacht", wenn man nicht bloss von London oder den USA aus
irgendwas verkuendet, andererseits ist der OSMF schon auch klar, dass
sie, wenn sie ernsthaft das Projekt vertreten will, auch Partizipation
aus allen Laendern braucht. (Welche Rolle die OSMF vis-a-vis dem Projekt
spielen soll, wird oefters debattiert; es gibt Leute im OSMF-Vorstand,
die moechten, dass die OSMF mehr regiert, und andere, die moechten, dass
sie sich auf das allernotwendigste beschraenkt, also eine
Support-Organisation bleibt.)
Zu den Plaenen der OSMF gehoert es, bis zur SOTM-Konferenz Ende
September ein "Local Chapter Agreement" auszuarbeiten, also eine Art
Standard-Vertrag oder wenigstens Document, mit dem sich solche Local
Chapters der OSMF anschliessen koennen.
Als weltweit groesste Community muessen wir nicht darauf warten, bis die
OSMF uns irgendetwas zum Unterschreiben hinhaelt; wir koennen selbst
gestalten, welches Verhaeltnis wir zur OSMF moechten. Ob das dann ein
Sonderweg wird oder ob wir Vorreiter fuer andere Local Chapters werden,
wird sich zeigen - das muessen wir erstmal nicht betrachten.
Der Plan auf dieser Mailingliste ist, dass wir bis in zwei Monaten - bis
Ende Mai - irgendeine Art von Empfehlung erarbeiten, mit der wir dann an
die deutsche Community herantreten und um Feedback bitten. Es koennen
auch 2-3 verschiedene "Szenarien" herausgearbeitet werden und wir lassen
die Community entscheiden. Dann gehen wir mit dem Ergebnis zum FOSSGIS
und der geht ggf. zur OSMF und setzt das entsprechend um.
Soweit der Plan!
Zwar ist das nicht notwendigerweise fest, aber ich nehme es mal als
gegeben an, dass wir weiter im/mit dem FOSSGIS arbeiten wollen (und
nicht einen eigenen OSM Deutschland e.V. gruenden). Das mit dem FOSSGIS
hat sich eigentlich bewaehrt und uns viele Sorgen erspart.
Die Frage, die wir hier klaeren muessen, ist also:
* Was erwarten wir von unserem "Local Chapter" - muss sich der FOSSGIS
dafuer veraendern, oder bietet der schon alles, was wir brauchen?
* Was fuer ein Verhaeltnis wollen wir als Community zum FOSSGIS und zur
OSMF haben, und wie wuenschen wir uns die Zusammenarbeit beider
Organisationen?
Eine erste Alternative ist schnell aufgestellt - die "Nullhypothese",
der "Status Quo": Alles ist gut so, wie es ist, und wir wollen das
einfach so lassen. Jeder kann sich frei entscheiden, ob er im FOSSGIS
oder in der OSMF oder in beiden Mitglied werden und dort demokratisch
mit entscheiden will; beide Organisationen sind voellig unabhaengig und
koennen sich auf Wunsch gegenseitig unterstuetzen, muessen sie aber auch
nicht.
Diese Alternative hat ihre Reize; wir muessen uns nicht mit der
internationalen OSM-Politik abgeben, koennen hier unser eigenes Ding
machen und die OSMF einfach links liegen lassen. Und das ist einiges
wert. Diese Alternative birgt aber auch Risiken: Wir stellen weltweit
gut ein Drittel aller aktiven Mapper, haetten aber praktisch keine
Mitsprache bei Fragen des zentralen Serverbetriebs, der Nutzung der
Namensrechte und aehnlichem. (Im worst case koennte eine OSMF uns sogar
zur Herausgabe unserer openstreetmap.de-Domain zwingen. Werden sie nicht
tun, aber das Recht haetten sie.) Es koennte sogar, solange der FOSSGIS
kein "offizielles" Local Chapter ist, jemand anders in Deutschland auf
die Idee kommen, eins aufzumachen und wenn die OSMF uns aergern will,
sagt die sogar noch ja dazu.
Eine abgemilderte Version hiervon waere, dass wir den Status Quo mit
einem Vertrag besiegeln - in dem praktisch drin steht "Der FOSSGIS nimt
die Rolle eines Local Chapters wahr und handelt in dieser Rolle zum
Besten des OSM-Projekts, man ist einander freundlich verbunden, es
fliesst kein Geld und niemand redet dem anderen rein." So aehnlich sieht
die Vereinbarung aus, die der FOSSGIS mit der OSGeo hat.
Es sind aber auch ganz andere Alternativen denkbar. Zum Beispiel koennte
man an eine nationale Mitgliedschaft denken, d.h. jeder, der in der OSMF
sein will, tritt stattdessen in den FOSSGIS ein und macht ein
Zusatzhaeckchen "OSMF", und der FOSSGIS fuehrt dann einen Teil des
Mitgliedsbeitrags an die OSMF ab und man hat Stimmrecht in der OSMF.
Oder: Der FOSSGIS hat Stimmrecht in der OSMF mit einem Gewicht, das der
Anzahl Mitglieder entspricht, die das OSMF-Haekchen gesetzt und bezahlt
haben. Oder: Die deutschen OSMF+FOSSGIS-Mitglieder stimmen auf der
OSMF-Mitgliederversammlung nicht mit ab, dafuer entsendet der FOSSGIS
zwei von den sieben OSMF-Vorstandsmitgliedern.
Bei alledem geht es immer um die Frage, welches Geld wird wo
eingesammelt und gehoert wem - und welche Einflussnahme gibt es in
welche Richtung.
So, jetzt habe ich aber genug gequatscht und hoffe, dass es viele
interessante Ideen von Euch zu diesem Thema gibt.
Meine persoenliche Meinung ist, dass ich es selbst auch nicht weiss.
Manchmal geht mir die OSMF tierisch auf den Nerv, und ich wuerde sie am
liebsten einfach ignorieren und so viel wie moeglich selber machen.
Andrerseits ist ein bisschen internationale Zusammenarbeit ja schon auch
sinnvoll, und vielleicht sitzt die OSMF auf zu viel Macht, als dass man
sie einfach machen lassen sollte.
Bye
Frederik
--
Frederik Ramm ## eMail frederik at remote.org ## N49°00'09" E008°23'33"